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31.08.2020
Baurecht

Forderungsmanagement beginnt vor Abschluss des Bauvertrags

Die wirtschaftlichen Folgen von Corona sind noch nicht absehbar. Einige Unternehmen werden die Krise nicht überstehen. Den Auftraggeber auf „Herz und Nieren“ zu prüfen, ist daher wichtiger denn je.

Seit März steckt Deutschland in der Corona-Krise. Viele Unternehmen haben Soforthilfe, Überbrückungshilfen oder KfW-Kredite beantragt und ihre Steuerzahlungen stunden lassen. Da trotz prekärer Liquiditätssituation vieler Marktteilnehmer die Insolvenzantragspflicht bis 30. September 2020 ausgesetzt ist, muss man annehmen, dass eine wachsende Anzahl von nicht mehr zahlungsfähigen Unternehmen auf dem Markt agiert – und auch Aufträge vergibt; möglicherweise auch an Bauunternehmen, die dann nach Ausführung des Auftrags ihre Vergütung nicht bekommen werden.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt zwar nur für Unternehmen, die erst durch Corona in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, doch wird dies erst überprüft werden, wenn die Betriebe dann tatsächlich „irgendwann“ Insolvenz angemeldet haben. Das kann noch dauern. Aktuell steht sogar eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende März 2021 im Raum. So lange werden sich also auf dem Markt deutlich mehr Unternehmen tummeln, die ihren Verbindlichkeiten nicht mehr oder deutlich verspätet nachkommen werden.

Da Bauunternehmen grundsätzlich vorleistungspflichtig sind, ist es in Krisenzeiten umso wichtiger, den eigenen Auftraggeber zu kennen („know your customer“). Informationen über die Bonität des Kunden sind ein grundlegender Bestandteil des Forderungsmanagements im Bauunternehmen. Forderungsmanagement fängt nicht erst 30 Tage nach der Rechnungsstellung an, sondern schon bei der Auswahl des Kunden. Und dabei spielen Bonitätsauskünfte eine wichtige Rolle.

  1. Vor Vertragsabschluss: Bonitätsauskunft einholen

Betrachtet man die Bestandteile eines nachhaltigen Forderungsmanagements, so sichert die Auswahl des richtigen – zahlungsfähigen und zahlungswilligen – Kunden im Vorfeld des Vertragsabschlusses 90 % der späteren Forderung und der Abschluss eines gut ausgehandelten Bauvertrages weitere 9 %. Mahnschreiben, Klage und Vollstreckung tragen nur zu 1 % dazu bei, dass der Unternehmer für seine Leistungen auch bezahlt wird. Das heißt: Wenn nicht vorher schon darauf geachtet wurde, dass der Auftraggeber solvent, und der Bauvertrag juristisch einwandfrei und mit einem vorteilhaften Zahlungsplan ausgehandelt ist, dann können Mahnschreiben, Klage und Vollstreckung das Problem einer ausstehenden Forderung in der Regel auch nicht mehr lösen.

Bonitätsauskünfte werden angeboten z.B. von Creditreform, SCHUFA, CRIFBürgel (ehem. Bürgel), aber auch von Warenkreditversicherern. Mehr Substanz haben, sagt die Branche, Auskünfte von Warenkreditversicherungen, z.B. Coface, Euler Hermes oder Atradius, weil diese Warenkreditversicherer gut vernetzt sind, weil sie breiter Daten erheben (auch über die Versicherungsnehmer selbst) und weil sie eben im akuten Versicherungsfall auch für ihre Einschätzungen haften müssen. Das ist der Sinn einer Warenkreditversicherung, mit der üblicherweise Lieferanten ihre Forderungen absichern. Dabei bieten Coface und Euler Hermes ihre Bonitätsauskünfte auch Unternehmen an, die selbst keine Warenkreditversicherung bei ihnen abgeschlossen haben.

Im Preis einer Bonitätsauskunft ist üblicherweise auch die automatische Aktualisierung über einen bestimmten Zeitraum (z.B. ein Jahr) enthalten. Der Bauunternehmer wird also auch während der Projektlaufzeit informiert, wenn sich die Einschätzung der Auskunftei zur Bonität des Auftraggebers geändert hat.

Links:

https://www.creditreform.de/loesungen/bonitaet-risikobewertung/bonitaet-unternehmen

https://www.crifbuergel.de/de/bonitaetsauskuenfte/kreditmanagement-b2b/bonicheck-kompakt

https://www.coface.de/Unsere-Loesungen/Wirtschaftsauskuenfte/B2B-Kunden

https://www.eulerhermes.de/produkte/kreditversicherung/bonicheck.html

https://www.meineschufa.de/index.php?site=50_2_1&etcc_cmp=Search%20Brand%20Schufa&etcc_grp=Schufa%20Homepage&etcc_med=SEA&etcc_par=Google&etcc_bky=www.schufa.de&etcc_mty=e&etcc_plc=&etcc_ctv=178133768058&etcc_bde=c&etcc_var=CjwKCAjwkJj6BRA-EiwA0ZVPVr-Ad95BEFJfPEOcLpXnJ7_janH-AUbEj35Iqhy_RARsCUHGKcjLmhoCZtIQAvD_BwE&gclid=CjwKCAjwkJj6BRA-EiwA0ZVPVr-Ad95BEFJfPEOcLpXnJ7_janH-AUbEj35Iqhy_RARsCUHGKcjLmhoCZtIQAvD_BwE

  1. Vereinbarungen im Bauvertrag

Sofern der Bauunternehmer in der Position ist, die Klauseln des Bauvertrags beeinflussen zu können, sollte der Bauvertrag folgende liquiditätsrelevanten Vereinbarungen vorsehen:

  • eine Vorauszahlung des Bauherrn (falls durchsetzbar);
  • eine Zahlungsbürgschaft des Bauherrn z.B. über 10% der Auftragssumme, die vom Auftragnehmer erst Zug um Zug mit der Schlusszahlung zurückgegeben wird. Gerade wenn der Bauherr eine Vertragserfüllungsbürgschaft über 10% vom Auftragnehmer verlangt, könnte dieser versuchen, im Bauvertrag seinerseits eine Zahlungsbürgschaft des Bauherrn durchzusetzen;
  • einen Zahlungsplan bzw.
  • regelmäßige Abschlagszahlungen in möglichst kurzen Zeitabständen (z.B. gemäß Leistungsstand zum Monatsende). Abschlagszahlungen können aber auch ohne vertraglich vereinbart zu sein, gefordert werden (§ 632a BGB bzw. § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B);
  • kurze Zahlungsfristen und
  • die zeitnahe (förmliche) Abnahme des Bauwerks.
  1. Zahlungsfristen im Blick behalten

Wichtig ist es, die vereinbarten Abschlagsrechnungen pünktlich zum Monatsende zu stellen und einen raschen Zugang der Rechnung beim Bauherrn (z.B. als elektronische Rechnung) zu erwirken. Eine taggenaue Verwaltung der offenen Posten ist Voraussetzung, um schon während der Zahlungsfrist den Fortgang der Rechnungsprüfung beim Bauherrn zu verfolgen (Bauleiter fragt nach einer Woche nach, ob es irgendwo hakt). Ist die Zahlung dann nicht pünktlich eingegangen, sollte umgehend gemahnt werden.

Wurde eine Abschlagsrechnung gestellt, wird der Anspruch auf die Abschlagszahlung bei einem BGB-Vertrag sofort fällig. Die Zahlung für die erbrachte Teilleistung kann also sofort verlangt werden. Alternativ kann in der Abschlagsrechnung ein konkretes Zahlungsziel genannt werden. Bei einem VOB/B-Vertrag werden Ansprüche auf Abschlagszahlungen binnen 21 Tagen nach Zugang der Abschlagsrechnung fällig.

Bei Stellung einer Schlussrechnung kann ebenfalls ein konkretes Zahlungsziel genannt werden. Alternativ kommt der Auftraggeber bei einem BGB-Vertrag spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Schlussrechnung zahlt (§ 286 Abs. 3 BGB). Bei einem Vertrag mit einem Verbraucher muss dieser aber in der Rechnung auf die Folgen des Verzugseintritts bei Nichtzahlung besonders hingewiesen werden.

Im VOB/B-Vertrag ist die Schlusszahlung spätestens 30 Tage nach Zugang der Schlussrechnung fällig. Die Frist verlängert sich auf höchstens 60 Tage, wenn sie aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale der Vereinbarung sachlich gerechtfertigt ist und ausdrücklich vereinbart wurde (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 und 2 VOB/B). Der Auftraggeber kommt, ohne dass es einer Nachfristsetzung bedarf, spätestens 30 Tage nach Zugang der Schlussrechnung in Zahlungsverzug.

  1. Bürgschaft gemäß § 650f BGB

Wenn der Bauunternehmer trotz entsprechender Vorkehrungen während der Bauphase feststellt, dass der Bauherr nicht oder nur schleppend zahlt, bleibt ihm die Möglichkeit, eine Bürgschaft nach § 650f BGB vom Bauherrn zu verlangen, und zwar über die gesamte noch unbezahlte Auftragssumme. Ein sehr scharfes Schwert, da der Auftraggeber regelmäßig große Schwierigkeiten hat, eine so hohe Bürgschaft vom Kautionsversicherer oder der Bank zu bekommen. Nicht selten muss sich der Bauherr auch kritische Fragen vom Bürgschaftsgeber gefallen lassen, weil dieser den Hintergrund einer § 650f BGB-Bürgschaft kennt.

Prinzipiell ist es sogar möglich, eine solche Bürgschaft unmittelbar nach Vertragsabschluss noch vor dem ersten Spatenstich über die gesamte Auftragssumme vom Bauherrn zu verlangen.

Ausgenommen sind öffentlichen Auftraggeber sowie private „Häuslebauer“, die ein Ein- oder Mehrfamilienhaus schlüsselfertig aus einer Hand beauftragt haben („Verbraucherbauvertrag“); von ihnen kann keine § 650f BGB-Bürgschaft verlangt werden.

Ihre Ansprechpartnerin:

Anika Amberg

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht

Telefon: 069 / 958 09-350
E-Mail: amberg@bgvht.de

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