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02.05.2023
Wirtschaft

Studie zum 14. Wohnungsbautag 2023: „Status und Prognose: So baut Deutschland – So wohnt Deutschland“

Die Kampagne für den Wohnungsbau, deren Mitglied der ZDB ist, hat die Studie bei der ARGE für zeitgemäßes Bauen, Kiel, in Auftrag gegeben. Die Studie wurde am 20. April 2023 auf dem 14. Wohnungsbautag vorgestellt. Schwerpunkt der Studie ist die aktuell kritische Situation um die Auftragslage im Wohnungsbau.

Zunächst wird im Kapitel 1 die Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung sowie der Wohnungsbedarf und das geschaffen Wohnungsangebot analysiert.

Nach der Studie repräsentieren die im Koalitionsvertrag der Ampel formulierten Zielstellungen zum Wohnungsbau – 400.000 Wohnungen pro Jahr, von denen 100.000 als Sozialwohnungen gefördert werden sollen –, ein aus „der erwarteten demografischen Entwicklung heraus abgeleitetes Ziel“ (In diesem Zusammenhang wird auch der vom Pestel-Institut ermittelte aufgelaufene Fehlbedarf von 700.000 WE angesprochen.).

Das vom Markt bereitgestellte Angebot an Baufertigstellungen reagiert gegenüber der schnell wachsenden Nachfrage mit „geringer Reaktionsgeschwindigkeit“. Dies wird mit einer Abbildung zu den Baufertigstellungen seit 1991 illustriert und dazu formuliert: „Zwar hat sich der Wohnungsbau gegenüber dem Tiefpunkt bis zum Jahr 2020 etwa verdoppelt, die Fertigstellungszahlen der 1990er Jahre wurden aber bei weitem nicht mehr erreicht. Eine (zeitnahe) Reaktion auf die verstärkten Zuwanderungen ist nicht zu erkennen.“

Zum Wohnungsangebot wird die aktuelle Bautätigkeit unter den aktuellen Rahmenbedingungen thematisiert. Dabei werden die Prognosen von ZDB, ZIA und GDW zitiert, die alle von Fertigstellungen in Höhe von nur noch 250.000 WE in 2023 ausgehen.

Im Kapitel 2 werden die aktuellen Rahmenbedingungen zum Wohnungsbau hinsichtlich der Baukostenentwicklung, der Materialpreise und Materialverfügbarkeiten besprochen. Den Baukosten werden die notwendigen Mietkosten und der Subventionsbedarf für den bezahlbaren und den Sozialen Wohnungsbau gegenübergestellt.

Zur Illustration der Baupreisentwicklung wird der Index des Statistischen Bundesamtes für Wohngebäude verwendet. Dem werden die Entwicklung der Baukosten und der Lebenshaltungskosten gegenübergestellt. Die Baukosten sind stärker gestiegen als die Baupreise, diese wiederum noch stärker als die Lebenshaltungskosten (Abbildung 13).

Zur Entwicklung der Bauwerkskosten werden die gestiegenen Anforderungen durch Normen, Verordnungen etc. analysiert. Gestiegen sind dadurch besonders die Kosten im Ausbau. Die Entwicklung der Verfügbarkeit von Baumaterial seit der Corona-Krise wird beschrieben. Nach den Analysen ist Baumaterial in den allermeisten Sortimenten wieder umfassend verfügbar.

Die Herstellkosten für Wohnungsbauten liegen nach der Studie im Median in Großstädten zum 1. Quartal 2023 bei 4.240 Euro/qm. Zuzüglich Grundstückskosten von im Median 908 Euro/qm resultieren daraus Gestehungskosten von insgesamt ca. 5.150 Euro/qm (Brutto). Die daraus resultierende Mietpreisentwicklung liegt bei 17,50 bis 20 Euro/qm (Kaltmiete). Für die Erreichung einer Zielgrenze für die Kaltmiete – wie sie in der Sozialen Wohnraumförderung üblicherweise angesetzt wird – von i.d.R. unter 7 Euro/qm Wohnfläche sind demnach ca. 2.900 Euro Subventionsbarwert je qm Wohnfläche anzusetzen. Daraus resultiert ein Subventionsbedarf von jährlich ca. 15 Mrd. Euro für den Sozialen Wohnungsbau (im Kapitel 5 ausgewiesen). Die Studie empfiehlt hierzu die Anlage eines Sondervermögens. Zum Vergleich: In der gegenwärtigen Legislaturperiode, also für vier Jahre, ist ein Budget von 14,5 Mrd. Euro geplant. Selbst wenn, wie geplant, die Bundesländer das Budget in gleicher Höhe zur Verfügung stellen, sind das ca. 30 Mrd. Euro für 4 Jahre. Nach dem Ansatz der Studie ist aber das doppelte Budget erforderlich.

Es werden nachfolgend die Kostentreiber im Wohnungsbau analysiert (Kap 2.4). Hierunter fallen u.a.

  • die Preissteigerungen für Baumaterial,
  • Qualitätssprünge bei ordnungsrechtlichen Anforderungen,
  • eine Verschiebung der Kostenschwerpunkte vom Rohbau zum Bestand.

Schließlich wird im Abschnitt 2.5 auf den Kostenfaktor „Klimaschutz“ eingegangen. Dabei wird festgestellt, dass die Vermeidungskosten für 1t Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich mit 950 Euro bis 2.750 Euro deutlich höher liegen als in der Industrie mit 35 Euro bis 157 Euro. Geschlussfolgert wird: „Die Kosten der CO2– und Energieeinsparung durch höhere Effizienzstandards im Wohnungsneubau zeigen, dass der bisher erreichte Standard nach dem Gebäudeenergiegesetz das individuelle und volkswirtschaftliche Optimum darstellt.“

Kapitel 3 ist dem Kipp-Punkt am Wohnungsbau gewidmet.

Dabei wird der Wohnungsbau als ein komplexes System der Verflechtung von Akteuren und Lieferketten und eines ausdifferenzierten Regelwerkes dargestellt. Mithin gelte für den Wohnungsbau auch die Theorie der Funktionsweise komplexer Systeme. Dazu gehört ein langfristiger Aufbau solcher Systeme aber auch die Möglichkeit deren kurzfristigen Zusammenbruchs („Seneca-Effekt“)

Illustriert wird der Zusammenbruch des Wohnungsmarktes/-baues über 10 Jahre (von 1995-2005) und der anschließend sukzessive Wiederaufbau von Kapazitäten bis 2021, bei dem immer noch nicht das Ausgangsniveau wieder erreicht ist.

Die derzeitige Kumulation schwieriger Rahmenbedingungen, durch hohe Baukosten, hohe Finanzierungskosten, abgeschmolzener Förderung bei gleichzeitig erhöhten Gebäudeanforderungen berge ein hohes Risiko, neuerlich den Kipp-Punkt beim Wohnungsbau zu erreichen.

Abgeleitet wird daraus die Notwendigkeit langfristig stabiler Investitionsbedingungen. Es brauche jetzt einen „Masterplan für den Wohnungsbau“ um den Kipp-Punkt zu vermeiden.

Im Kapitel 4 werden Kostenbetrachtungen zu realisierten Bauprojekten ausgeführt und „Possible Practise“ illustriert.

Kapitel 5 ist den Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen gewidmet. Zur Vermeidung des Seneca-Effektes braucht es demnach u.a.

  • Ein Sondervermögen für den Sozialen Wohnungsbau (siehe oben)
  • Die Ausweisung ausreichenden Baulandes
  • Erleichterungen effizienter Wohnraumschaffung (Umbau und Umnutzung von Nichtwohngebäuden)
  • Keine weiteren Verschärfungen von Auflagen und Ordnungsrecht für den Wohnungsbau
  • Eine rasche Beschleunigung von Planung- und Genehmigungsverfahren

Bewertung

Die Studie analysiert zutreffend die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt und auf dem Baumarkt. „Die Resilienz des „Systems Wohnungsbau“ ist durch die aktuellen Rahmenbedingungen stark gefährdet und mit den Erfahrungen „normaler“ Konjunkturzyklen nicht mehr abbildbar. Das System befindet sich unmittelbar vor einem folgenreichen Kipp-Punkt.“

Das entsprechende Petitum, nachhaltige Investitionsimpulse zu setzen, unterstützt der ZDB. Nur so kann die Lage auf dem Wohnungsmarkt sukzessive entspannt werden. „Das derzeit bestehende Potenzial der baugewerblichen und bauindustriellen Kapazitäten in Deutschland ist – bei angemessener Auslastung der Baukapazitäten (Menschen und Maschinen) in der Lage bis zu 400.000 – notwendige Wohnungen pro Jahr zu errichten. Sollte der drohende Kipp-Punkt allerdings überschritten werden, werden die Kapazitäten absehbar auf ein Errichtungspotenzial von ca. 200.000 Wohneinheiten pro Jahr – oder gar weniger – sinken.“

Aus Sicht des Bauhauptgewerbes interessant, wird in der Studie auch „… das Narrativ einer vermuteten unzulänglichen Produktivität und Rationalisierung im Baugewerbe“ widerlegt. Es wird dazu auf gegenüber 2002 reduzierte Personalstundenansätze für Bautätigkeiten bei deutlich erhöhten Bauqualitäten verwiesen. Die Studie kommt hier zu folgendem Ergebnis: „Unter Ansatz der vorgenannten Rahmenbedingungen ergibt sich ein bereinigter Produktivitätszuwachs für das Bauhauptgewerbe von ca. 46 % innerhalb der letzten 19 Jahre.“

Demnach hätte die Produktivität im Bauhauptgewerbe pro Jahr um 2,4 % zugenommen. Die Ableitung der dargestellten Entwicklung der Arbeitsproduktivität erfolgt über technische Parameter. Das Niveau der demnach erreichten Entwicklung der Produktivität liegt deutlich oberhalb der Werte, die zwischenzeitlich auch vom Statistischen Bundesamt dem Bauhauptgewerbe zuerkannt werden. (Für das Baugewerbe insgesamt – Bauhauptgewerbe und Ausbau – meldet das Statistische Bundesamt nur eine Stagnation der Produktivität. Der ZDB hatte in Nachfolge einer Rede der Bauministerin zur Produktivität in der Bauwirtschaft einen Austausch mit dem Statistischen Bundesamt zur Entwicklung der Arbeitsproduktivität im Bauhauptgewerbe.)

Die Bundesbauministerin Clara Geywitz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck haben auf dem Wohnungsbautag jeweils ausgeführt, die kritische Situation um die Auftragsentwicklung beim Wohnungsneubau zu erkennen. Sie haben aber keine konkreten Maßnahmen im Hinblick auf die Forderungen der Verbände, mehr finanzielle Mittel zur Überbrückung der Finanzierungsprobleme der Investoren bereitzustellen, in Aussicht gestellt. Die Bundesbauministerin verwies auf die bereits erfolgte Aufstockung der Fördermittel zum sozialen Wohnungsbau. Der Bundeswirtschaftsminister verwies auf die aufgestockten Mittel zur Sanierung des Wohnungsbestandes.

Die aktuelle Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. mit dem Titel „Status und Prognose: So baut Deutschland – so wohnt Deutschland. Der Chancen-Check für den Wohnungsbau Studie zu den Bedarfen, Hemmnissen, Herausforderungen und drohenden Konsequenzen für den Wohnungsbau in Deutschland“ ist als Anhang beigefügt.

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Ihr Ansprechpartner

Markus Geiser

Betriebswirtschaft

Telefon: 069 / 958 09-170
E-Mail: geiser@bgvht.de

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