Zu Beginn des Jahres 2024 ist eine Vielzahl von Änderungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in Kraft getreten. Eine Übersicht über die wesentlichen Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht haben wir für unsere Mitgliedsunternehmen zusammengestellt.
a) Gesetzlicher Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn beträgt ab dem 1. Januar 2024 brutto 12,41 Euro je tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde. Die mit der Vierten Mindestlohnanpassungsverordnung vom 24. November 2023 beschlossene Anhebung beruht auf dem entsprechenden Vorschlag der Mindestlohnkommission vom 26. Juni 2023. Der Anpassung der Mindestlohnhöhe entsprechend werden mit einer weiteren Verordnung auch die Gehalts-Schwellenwerte der Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung angehoben, ab deren Überschreitung die Melde- und Dokumentationspflichten nach §§ 16 und 17 des Mindestlohngesetzes nicht mehr gelten (vgl. unser Newsletter vom Dezember 2023).
b) Neue Regelbedarfe im Bürgergeld
Die Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2024 (RBSFV 2024), mit der die Regelbedarfe im Bereich der Sozialhilfe (SGB XII – Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) sowie die Bedarfe für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf für die beiden im Kalenderjahr 2024 beginnenden Schulhalbjahre zum 1. Januar 2024 erhöht werden, gelten auch für das Bürgergeld.
Die Regelbedarfsstufen (RBS) steigen zum 1. Januar 2024 wie folgt:
für alleinstehende und alleinerziehende Leistungsberechtigte: 563 Euro (RBS 1)
für zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, jeweils: 506 Euro (RBS 2)
für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben bzw. für erwachsene Leistungsberechtige unter 25 Jahren, die ohne Zusicherung des Jobcenters umziehen: 451 Euro (RBS 3)
für Jugendliche im 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre: 471 Euro (RBS 4)
für Kinder vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres: 390 Euro (RBS 5)
für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres: 357 Euro (RBS 6)
Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf ergibt sich für das erste Schulhalbjahr 2024 eine Erhöhung auf 130 Euro und für das zweite Schulhalbjahr eine Erhöhung auf 65 Euro.
c) Insolvenzgeld
Der Umlagesatz für das Insolvenzgeld wird für das Kalenderjahr 2024 auf 0,06 % festgelegt.
d) Betragssatz zur Arbeitsförderung
Ab dem 1. Januar 2024 beträgt der Beitragssatz zur Arbeitsförderung weiterhin 2,6 %.
e) Die Bundesagentur für Arbeit wird in das Verfahren zum Abruf elektronischer Arbeitsunfähigkeitsdaten einbezogen
Zum 1. Januar 2024 entfällt für gesetzlich krankenversicherte Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, die Pflicht, der Agentur für Arbeit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Dies gilt entsprechend für Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, auch wenn die Teilnehmer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Stattdessen kann die Bundesagentur für Arbeit eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung bei der zuständigen Krankenkasse automatisiert abrufen. Die Pflicht, eine eingetretene Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen, besteht hingegen fort. Bürgerinnen und Bürger werden durch die Einführung des Abrufverfahrens in einem Umfang von rund 435.500 Stunden jährlich entlastet.
f) Verlängerung der Regelung des Eingliederungszuschusses für Ältere
Die Möglichkeit, Arbeitgeber bei der Einstellung von älteren Arbeitnehmern mit Vermittlungshemmnissen über die allgemeine Höchstdauer von einem Jahr hinaus bis zu 36 Monate mit einem Eingliederungszuschuss zu fördern, wird um fünf Jahre bis zum 31. Dezember 2028 verlängert. Das Mindestalter zum Erhalt der längeren Förderdauer wird zugleich zum 1. Januar 2024 auf 55 Jahre angehoben.
g) Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung
Der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt ab dem 1. Januar 2024 weiterhin 18,6 % in der allgemeinen Rentenversicherung und 24,7 % in der knappschaftlichen Rentenversicherung.
h) Anhebung der Altersgrenzen
Das Renteneintrittsalter in der gesetzlichen Rentenversicherung wird seit 2012 schrittweise angehoben (sog. „Rente mit 67“). Versicherte, die 1958 geboren sind und für die keine Vertrauensschutzregelungen gelten, erreichen die Regelaltersgrenze mit 66 Jahren. Für die Jahrgänge 1964 und jünger liegt die Regelaltersgrenze zukünftig bei 67 Jahren.
i) Verbesserte Absicherung bei bestehenden Erwerbsminderungsrenten und Anhebung der Altersgrenzen
Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten kann und erwerbsgemindert in Rente gehen muss, wurde mit dem Rentenpakt zum 1. Januar 2019 deutlich besser abgesichert. Die sog. Zurechnungszeit, nach der die Renten so berechnet werden, als ob die Betroffenen noch nach Eintritt der Erwerbsminderung wie bisher weitergearbeitet hätten, wurde für neu zugehende Renten erheblich, auf die damals geltende Regelaltersgrenze von 65 Jahren und 8 Monaten, angehoben.
Diejenigen, die vor dem 1. Januar 2019 bereits eine Erwerbsminderungsrente bezogen hatten, wurden von dieser Verbesserung allerdings nicht erfasst (der sog. Bestand an Erwerbsminderungsrenten). Ein pauschaler Zuschlag wird ab 1. Juli 2024 nun auch beim Bestand an Erwerbsminderungsrenten die Höhe der monatlichen Rente spürbar verbessern. Die Höhe des Zuschlags orientiert sich an der seit dem 1. Januar 2019 geltenden Zurechnungszeit bis zum Alter von 65 Jahren und 8 Monaten. Für in der Zeit von Januar 2001 bis Juni 2014 begonnene Renten beträgt der pauschale Zuschlag 7,5 %, für zwischen Juli 2014 bis Dezember 2018 begonnene Renten 4,5 %. Den Zuschlag erhalten auch laufende Altersrenten, bei denen unmittelbar zuvor bereits eine Erwerbsminderungsrente mit einem Rentenbeginn in der Zeit von 2001 bis 2018 gewährt wurde. Insgesamt werden rund 3 Mio. Rentnerinnen und Rentner von dem Zuschlag profitieren; eine Antragstellung ist nicht erforderlich.
j) Sozialversicherungsrechengrößen 2024
Mit der Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2024 wurden die maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung gemäß der Einkommensentwicklung im vergangenen Jahr turnusgemäß angepasst. Das Verordnungsverfahren und die Festlegung der Werte erfolgen in sich jährlich wiederholender Routine auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen.
k) Mindestbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung
Der Mindestbeitrag zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1. Januar 2024 beträgt 100,07 Euro monatlich.
l) Künstlersozialversicherung
Der Abgabesatz in der Künstlersozialversicherung beträgt im Jahr 2024 unverändert 5,0 %.
m) Geringfügige Beschäftigung
Die Entgeltgrenze für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung (Geringfügigkeitsgrenze) steigt mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Die Geringfügigkeitsgrenze wird zum 1. Januar 2024 von 520 Euro auf 538 Euro im Monat angehoben.
n) Übergangsbereich und Faktor F
Im Übergangsbereich (Arbeitsentgelte im Bereich von 538,01 Euro bis 2.000 Euro monatlich) sind die Beschäftigten beitragspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung. Bei der Bemessung der Arbeitnehmerbeiträge wird ein reduziertes beitragspflichtiges Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, so dass die Beschäftigten durch reduzierte Beiträge entlastet werden. Ab dem 1. Januar 2024 beträgt für Beschäftigte im Übergangsbereich mit einem Entgelt von 538,01 Euro bis 2.000,00 Euro im Monat der Faktor F 0,6846.
o) Sachbezugswerte 2024
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat jährlich den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im Voraus anzupassen und dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Die Werte für Verpflegung und Unterkunft werden daher jährlich an die Entwicklung der Verbraucherpreise angepasst. Die Verbraucherpreise sind im maßgeblichen Zeitraum von Juni 2022 bis Juni 2023 um 8,4 Prozentpunkte gestiegen. Auf dieser Grundlage wurde der Wert für Verpflegung von 288 Euro auf 313 Euro (Frühstück auf 65 Euro, Mittag- und Abendessen auf jeweils 124 Euro) angehoben. Der Wert für Mieten und Unterkunft erhöht sich um 5 % von 265 Euro auf 278 Euro.
p) Neuregelungen der Anzeige von Versicherungsfällen in der gesetzlichen Unfallversicherung
Mit der Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung vom 17. Juli 2023 wurde das Meldeverfahren von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten in der gesetzlichen Unfallversicherung vollständig digitalisiert. Bereits jetzt erfolgt der weit überwiegende Teil der Anzeigen digital über das Bundesportal nach dem Onlinezugangsgesetz bzw. das Serviceportal der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings ist die Verwendung bestimmter Anzeigeformulare zwingend vorgegeben.
Zum 1. Januar 2024 fallen diese Formulare zugunsten der Beschreibung von Meldedaten weg und die elektronische Anzeige wird als ausschließlicher Meldeweg vorgegeben. Zur vollständigen Digitalisierung der Verfahren ist ein Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2027 vorgesehen.
q) Weitere Möglichkeit des Schriftformersatzes in der Sozialverwaltung
Die fortschreitende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ermöglicht inzwischen die papierlose, aber dennoch rechtssichere Kommunikation mit den Behörden. Vor diesem Hintergrund werden weitere Möglichkeiten des elektronischen Schriftformersatzes für schriftformbedürftige Erklärungen im Sozialverwaltungsrecht geschaffen. Zukünftig kann die Schriftform gegenüber Behörden auch durch Übermittlung aus besonderen elektronischen Postfächern, insbesondere aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach, ersetzt werden. Dies gilt auch für den Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt. Für schriftformbedürftige Erklärungen von Behörden wird als zusätzliche Möglichkeit des elektronischen Schriftformersatzes das qualifizierte elektronische Siegel zugelassen.
r) Änderungen der Ausgleichsabgabe
Zum 1. Januar 2024 tritt die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe in Kraft. Diese gilt für Arbeitgeber, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen. Gleichzeitig wird die bisherige Bußgeldvorschrift bei Verstoß gegen die Beschäftigungspflicht aufgehoben.
Die Höhe der vierten Stufe der Ausgleichsabgabe ist nach Unternehmensgröße gestaffelt:
Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich 20 bis weniger als 40 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen: 210 Euro.
Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich 40 bis weniger als 60 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen: 410 Euro.
Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mindestens 60 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen: 720 Euro.
Erstmals zu zahlen ist die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe zum 31. März 2025, wenn die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2024 fällig wird.
Beim Wechsel von der Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgt ab dem 1. Januar 2024 eine automatische Mehrfachanrechnung auf mindestens zwei Pflichtarbeitsplätze, eine bisher benötigte Einzelfallentscheidung der Bundesagentur für Arbeit entfällt. Gleiches gilt auch in den ersten zwei Jahren, in denen jemand ein Budget für Arbeit erhält.
Die Mittel der Ausgleichsabgabe dürfen ab dem 1. Januar 2024 zudem nur noch zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben verwendet werden. Eine nachrangige Mittelverwendung zur institutionellen Förderung – insbesondere von Werkstätten für behinderte Menschen – ist nicht mehr möglich.
s) Genehmigungsfiktion für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes
Zum 1. Januar 2024 wird eine Genehmigungsfiktion für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes (Arbeitsassistenz und Berufsbegleitung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung) eingeführt. Wenn das Integrationsamt nicht innerhalb von sechs Wochen nach Eingang des Antrags über diesen entscheidet, gilt der Antrag als genehmigt.
t) Erhöhung der Kinderkrankentage
Der Anspruch gesetzlich krankenversicherter Eltern auf Kinderkrankengeld wird nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums in den Jahren 2024 und 2025 auf 15 Tage pro Kind und Elternteil ausgeweitet. Alleinerziehende haben jeweils den doppelten Anspruch. Regulär gab es einen Anspruch auf jährlich zehn Kinderkrankentage pro Elternteil und Kind. Während der Corona-Pandemie war dieser Anspruch auf 30 Tage erhöht worden. Kinderkrankengeld gibt es für Kinder unter zwölf Jahren. Es beträgt in der Regel 90 % des Nettoeinkommens.
Ihr Ansprechpartner
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Telefon: 069 / 958 09-160
E-Mail: lamberty@bgvht.de