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17.04.2024
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Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2024

Die Frühjahrsprognose der Forschungsinstitute steht diesmal unter dem Titel „Deutsche Wirtschaft kränkelt – Reform der Schuldenbremse kein Allheilmittel“. Schon der Titel macht drei Dinge deutlich:

  • Die deutsche Wirtschaft ist nicht gesund – wenn auch nicht richtig krank, so lahmt sie zumindest.
  • Die konjunkturelle Schwächephase ist zäher als noch im Herbst 2023 von den Instituten prognostiziert. Im Herbst war man noch von einem realen Wachstum des BIP in 2024 von +1,3 % ausgegangen. Nun wird für 2024 quasi Stagnation erwartet (+0,1 % reales BIP-Wachstum).
  • Die Frage, wie Deutschland wieder nachhaltig zu Wachstum – und damit Investitionen – kommt, ist auch eine Frage der Reform der Schuldenbremse. Zumindest die Diskussion um deren Gestaltung erscheint unausweichlich.

In der lahmenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung überlagern sich konjunkturelle und strukturelle Faktoren. Derzeit bewegt sich die Wirtschaftsleistung in Deutschland auf einem Niveau, das kaum über dem vor der Corona-Pandemie liegt. Seitdem tritt die Produktivität in Deutschland auf der Stelle, und die inzwischen um über 600 000 höhere Zahl der Erwerbstätigen kompensiert im Wesentlichen nur die niedrigere durchschnittlich geleistete Arbeitszeit.

Das von den Instituten im vergangenen Herbst bereits für das Winterhalbjahr 2023/2024 erwartete Anziehen der Wirtschaftsleistung ist ausgeblieben, auch wenn sich der private Konsum als leicht stützend erwiesen hat. Außen- wie binnenwirtschaftlich gab es mehr Gegen- als Rückenwind. So sind die deutschen Ausfuhren gesunken, während die weltwirtschaftliche Aktivität bis zuletzt gestiegen ist. Dies liegt vor allem daran, dass die für die deutschen Exportunternehmen bedeutsame Nachfrage nach Investitions- und Vorleistungsgütern schwach blieb. Insbesondere bei energieintensiven Gütern hat auch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit gelitten und Produktion ist ins Ausland abgewandert.

Die Konsumnachfrage stützt nach Einschätzung der Institute die Konjunkturentwicklung in 2024: „Im laufenden Jahr avanciert der private Konsum zur wichtigsten Triebkraft für die Konjunktur. Nachdem der ab Mitte 2021 einsetzende Teuerungsschub die Massenkaufkraft zwei Jahre lang drastisch geschmälert hatte, steigen die real verfügbaren Einkommen nun wieder deutlich. Zum einen bildet sich der kräftige Preisauftrieb weiter zurück, zum anderen werden nun mehr und mehr höhere Lohnabschlüsse wirksam.“

Entwicklung der Bauinvestitionen

Im Hinblick auf die noch schwächer als erwartete Konjunkturentwicklung sprechen die Institute auch die schwache Bautätigkeit an: „Noch etwas schwächer als erwartet zeigte sich zuletzt die Bauaktivität, insbesondere im Wohnbau. Die in den vergangenen drei Jahren kräftig angeschwollenen Neubaupreise lassen beim derzeitigen Zinsniveau nur noch sehr wenige Projekte rentabel erscheinen.“

Von der Bauwirtschaft kommen negative Wachstumsbeiträge. „Kaum verändert ist das Bild für die Bauinvestitionen, die insbesondere unter dem sehr schwachen Wohnbau leiden, der erst in der zweiten Hälfte des Prognosezeitraums – nach dann vier rückläufigen Jahren in Folge – nur langsam und auf dürftigem Niveau expandieren dürfte.“ Die Institute sehen die Bauwirtschaft daher weiter tief in der Rezession. Für die Bauinvestitionen wird in 2024 ein Rückgang gegenüber 2023 um 2,2 % erwartet.

Entwicklung der Bauinvestitionen; Veränderungsrate real zum Vorjahr in %

2020 2021 2022 2023 2024 2025
Wohnungsbau 4,6 -2,3 -2,2 -3,4 -3,8 0,7
Nichtwohnungsbau 2,8 -3,0 -1,1 -1,5 0,3 1,4
     Gewerblicher Bau 0,8 -1,3 -1,6 -2,9 -0,2 1,4
     Öffentlicher Bau 7,2 -6,8 -0,1 1,7 1,4 1,5
Bauinvestitionen gesamt 3,9 -2,6 -1,8 -2,7 -2,2 1,0

Quelle: GD Frühjahr 2024; 2020 bis 2023 IST; 2024/2025 Prognose

Die Bauinvestitionen umschließen Leistungen des Bauhauptgewerbes, des Ausbaus sowie Leistungen der verarbeitenden Industrie wie den Einbau von Fahrstühlen, aber auch Dienstleistungen, die mit der Herstellung und dem Kauf von Bauwerken sowie mit der Grundstücksübertragung verbunden sind, beispielsweise die Leistungen der Architekten, Makler und Notare. Schließlich zählen auch Eigenleistungen zu den Bauinvestitionen. Unter Bauinvestitionen werden Neubauten, aber auch werterhöhende Maßnahmen am Gebäudebestand gerechnet. Der Anteil der Leistungen des Bauhauptgewerbes lag in den letzten Jahren im Zuge der Neubautätigkeit bei gut einem Drittel. Ausbauleistungen machten noch knapp 30 % aus.

Sinkende Zinsen, kräftig steigende Einkommen und stagnierende Baupreise werden nach Einschätzung der Institute 2025 die Wende einleiten und die Bauinvestitionen erstmals seit dem Jahr 2020 wieder steigen lassen (+1,0 %); siehe Tabelle.

Infolge niedriger Kapazitätsauslastung und sinkender Einkaufspreise sehen die Institute die Preisentwicklung für Bauleistungen mit einer weiter abnehmenden Dynamik. Nach einer Preissteigerung um knapp 8 % in 2023 wird für 2024 und 2025 mit einer Preisstagnation gerechnet.

Die Entwicklungsaussichten der Bauinvestitionen in den einzelnen Bausparten sehen die Institute wie folgt (siehe auch Tabelle):

Wohnungsbau

Die Investitionen im Wohnungsbau erwarten die Institute in 2024 noch einmal mit einem kräftigen realen Minus von 3,8 % gegenüber 2023. Maßgeblich dafür ist die im letzten Jahr schwach ausgebildete Nachfrage mit realen Orderrückgängen um 20 %.

Für das kommende Jahr wird dann ein leichter Zuwachs der Investitionen in den Wohnungsbau erwartet (+0,7 %). Am aktuellen Rand deute sich ein Anstieg neu abgeschlossener Hypothekenkredite an, der sich im Jahresverlauf in höheren Auftragseingängen bemerkbar machen werde. Etwas geringere Zinsen in Kombination mit steigenden verfügbaren Einkommen würden das Verhältnis von Annuitäten und Einkommen für private Haushalte im Prognoseverlauf verbessern. Stützend wirkten auch sinkende Bodenpreis. Zudem würden leicht nachgebende Wohnungsbaupreise den Bau neuer Wohnungen erschwinglicher machen.

Nichtwohnungsbau

Den Nichtwohnungsbau – den gewerblichen Bau und den öffentlichen Bau – sehen die Institute durch den gewerblichen Tiefbau gestützt. Hier wird namentlich auf die Impulsgeber Schienen- und Energieinfrastrukturausbau verwiesen. So legten die Order im gewerblichen Tiefbau in 2023 um real 8 % zu. Die Reichweite der Order stieg hier im letzten Jahr von knapp 8 Monaten auf über 9 Monate. Gleichwohl erwarten die Institute für die gewerblichen Bauinvestitionen in 2024 gegenüber 2023 ein Minus von 0,2 %. Dieser negative Saldo ist offensichtlich durch die nachlassende Rückfrage im gewerblichen Hochbau veranlasst. Dieser ist stärker zinsreagibel und konjunkturabhängiger als der Tiefbau. Die Bauaufträge der öffentlichen Hand sehen die Institute in 2024 durch eine gute Kassenlage bei den Kommunen gestützt (+ 1,4 %). Obwohl die Institute in 2025 eine Verschlechterung der Kassenlage prognostizieren, sehen sie die öffentlichen Bauinvestitionen in 2025 wiederum mit einem realen Plus von 1,5 %.

Vorschläge zur Wirtschaftspolitik

Die Forschungsinstitute nehmen im Frühjahrsgutachten die Diskussion um die Reform der Schuldenbremse auf. Diese Debatte hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 vom November 2023 noch einmal Fahrt aufgenommen.

Nach dem Grundgesetz sind die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen. Ausnahmen sind nur in einer gesamtwirtschaftlichen Notlage möglich. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht nun noch einmal bestätigt, indem es die Verschiebung von Kreditermächtigungen aus der pandemiebedingten Notlage in den Klima- und Transformationsfonds als verfassungswidrig eingestuft hat.

Die Forschungsinstitute lehnen umfassende Änderungen an der Gestaltung der Schuldenbremse ab. Forderungen, die Investitionen nach dem Vorbild der „Goldenen Regel“ von ihr auszunehmen, seien nicht zielführend. Dem stehe insbesondere entgegen, dass unter der vormaligen „Goldenen Regel“ die Staatsschuldenquote trendmäßig zunahm und gleichzeitig die öffentliche Investitionsquote sank.

Die Institute greifen den Vorschlag der Deutschen Bundesbank zur Anpassung der Schuldenregel auf. Dieser Vorschlag sieht vor, die zulässige konjunkturbereinigte Defizitquote von 0,35 % auf 0,5 % zu erhöhen, sofern die gesamtstaatliche Bruttoschuldenstandsquote unter 60 % liegt. Die Defizitquote soll um weitere 0,5 Prozentpunkte höher ausfallen können, sofern damit Nettoinvestitionen finanziert werden („gekappte Goldene Regel“). Liegt die Schuldenstandsquote über 60 %, soll die zulässige Defizitquote bei 0,35 % verbleiben. Dieser Vorschlag sei auch mit den EU-Fiskalregeln vereinbar.

Die Forschungsinstitute regen zudem eine Neugestaltung der gesamtstaatlichen Finanzverfassung an („Förderalismusreform III“). Diese Neugestaltung müsse zum Ziel haben, die kommunalen Investitionen von kurzfristigen Haushaltsnöten des Bundes und der Länder abzuschirmen und die konjunkturellen Schwankungen nur auf deren Haushalte durchschlagen zu lassen. Insbesondere gelte es, die Einnahmen der Kommunen weniger konjunkturreagibel zu gestalten, etwa durch einen Hebesatz auf die Einkommenssteuer anstelle der Gewerbesteuer. Damit eine solche durchgreifende Finanzreform nicht an den fiskalischen Unwägbarkeiten einzelner Haushaltsjahre scheitere, solle für einen Übergangszeitraum eine Ausnahme von der Schuldenregel zugelassen werden.

Bewertung

Selbst wenn, wie von den Forschungsinstituten prognostiziert, die Investitionen im Wohnungsbau in 2025 wieder steigen, bliebt es bei einem niedrigen Niveau, das nicht ausreicht, die politische Zielstellung von 400.000 pro Jahr zu erstellenden Wohnungen zu erreichen. Zudem bleibt abzuwarten, ob, wie ebenfalls prognostiziert, die öffentlichen Investitionen trotz enger werdender Finanzierungsspielräume nach der bestehenden Schuldenregel in 2024 und 2025 tatsächlich wachsen. Das Risiko bleibt hoch, dass die Impulse für insgesamt steigende Bauinvestitionen zu gering bleiben. Die in Deutschland schwächelnde Konjunktur braucht aber dringend Investitionsimpulse gerade auch aus der Bauwirtschaft.

Die Forschungsinstitute sehen die Notwendigkeit, in Deutschland ein höheres Maß an Investitionen zu erreichen, um den demografischen Herausforderungen und die denen des Klimawandels erfolgreich zu begegnen. Die von ihnen geforderte Anpassung der Regelungen bei der Schuldenbremse ist zu unterstützen.

Dateityp

Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2024

GD_Fruehjahrsprognose_2024.pdf

Ihr Ansprechpartner

Markus Geiser

Betriebswirtschaft

Telefon: 069 / 958 09-170
E-Mail: geiser@bgvht.de

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